Maria Haas lebt und arbeitet in Klosterneuburg bei Wien.

Nach dem Abschluss des Kollegs für Fotografie an der Höheren Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien im Jahr 1990 gründete sie das Fotostudio Maria Haas und widmete sich ursprünglich der Reise- und Reportagefotografie. 1996 folgte ein einjähriger Aufenthalt in New York mit Workshops am International Center of Photography, an den sich mehrere Ausstellungen in New York, Wien, Florenz und Tampere anschlossen. In den darauffolgenden Jahren lag ihr beruflicher Schwerpunkt im Bereich der Industrie-, Produkt- und Porträtfotografie.

Im Laufe der vertieften Beschäftigung mit gesellschaftspolitischen und frauenbezogenen Themen verlagerte sich das Interesse von Maria Haas auf die Erforschung und Dokumentation unterschiedlicher Gesellschaften und Völker, die nicht nach den traditionellen westlichen Prinzipien leben. Zu den fotografischen Arbeiten in diesem Bereich zählen unter anderem die Dokumentationen über die Burrneshas genannten Mann-Frauen im Norden Albaniens, über die Berberinnen im Hohen Atlas in Marokko oder die Samí, das letzte indigene Volk Europas im nördlichen Skandinavien.

In den vergangenen Jahren veränderte Maria Haas den Schwerpunkt ihrer fotografischen Tätigkeit hin zur Erforschung matriarchaler Gesellschaften. Eine große Faszination ging dabei von der besonderen Stellung der Frauen und Matriarchinnen in diesen Völkern aus. Ihre Eindrücke und Fotografien von den drei größten matriarchalen Gesellschaften – den Minangkabau in Indonesien, den Khasi in Indien und den Mosuo in China – veröffentlichte Maria Haas im Jahr 2020 in ihrem ersten Bildband MATRIARCHINNEN. Dem folgten Ausstellungen mit großformatigen Bildern in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie verschiedenste Interviews und Berichte in Print, Hörfunk und TV – einschließlich einer Dokumentation auf ARTE.

Nun liegt der zweite Bildband MATRIARCHINNEN vor, mit dem Maria Haas uns mit außergewöhnlichen Bildern und informativen Texten in die Lebenswelten weiterer matriarchaler Völker eintauchen lässt – die Bijagos in Westafrika, die Juchitecas in Mexiko und die Bribri in Costa Rica.

2022

Herausgabe Bildband MATRIARCHINNEN Band 2

2022

Fotoprojekt Juchitecás / Mexiko

2022

Fotoprojekt Bribri / Costa Rica

2021

Fotoprojekt Berber / Marokko

2020

Herausgabe Bildband MATRIARCHINNEN Band 1

2019

Fotoprojekt Sami / Nördliches Skandinavien

2019

Fotoprojekt Mentawai / Siberut, Indonesien

2019

Fotoprojekt Minangkabau / West Sumatra, Indonesien

2018

Fotoprojekt Khasi, Garo,

Jaintia / Indien

2017

Fotoprojekt Bijagos / Guinea Bissau

2017

Fotoprojekt Burrneshas / Albanien

2016

Fotoprojekt Mosuo / China

1998-2016

Fotostudio Maria Haas / industrial & product photography

1996-1997

Aufenthalt in New York City / workshops at the International Center of Photography

1994

Gründung of Studio Maria Haas

1990

Free-lance photographer / Reportagen für Zeitungen, Zeitschriften und Magazine

1988-1990

Höhere Graphische Lehr-und Versuchsanstalt / College of Photography

*1968

lebt und arbeitet in Wien

 

Eine Kodak Instamatic war Deine fotografische Initialzündung – war es für Dich schon früh klar, dass Du Fotografin werden wolltest?

 

 

Ich habe die Kamera im Volksschulalter bekommen und damit meine Umwelt dokumentiert – Freundinnen, meine Familie und ganz besonders gern habe ich die Tiere am Bauernhof meiner Großmutter fotografiert. Es hat mir großen Spaß gemacht, etwas abzubilden und Wochen später zu sehen, was dabei entstan­den ist. Dass dies mein Beruf sein könnte, wußte ich damals noch nicht. Mit etwa 15 Jahren habe ich mir einen Vergrößerer gewünscht, zu Hause eine Dunkelkammer eingerichtet und mir die Leica meines Vaters ausgeborgt – gefühlt war ich die nächsten Jahre über mehr in der Dunkelkammer als anderswo, um mit Schwarz-Weiß-Ausarbeitungen zu experimentieren.

Obwohl ich von meinen Eltern viel Unterstützung bekam, galt Fotografie in der Familie dennoch nicht als richtiger Beruf – ich sollte etwas „Gescheites“ machen und daher begann ich zu studieren. Nach kurzer Zeit wurde mir klar, dass ich wirklich den Beruf als Fotografin erlernen wollte. Daher absolvierte ich einen der ersten Lehrgänge im Kolleg für Foto­grafie an der Graphischen Lehr-und Versuchsanstalt in Wien – eine sehr intensive und praxisorientierte Ausbildung, die alle analogen Techniken wunderbar vermittelte.

 

 

Ging es dann gleich mit Jobs weiter?

 

Ich habe bald für Zeitschriften wie Basta und Rennbahn Express gearbeitet. Vor allem eine freie Arbeit, in der ich für einige Zeit einen Clochard in Perigueux in Frankreich begleitete und portraitierte, hat mir viele Türen für eine Reihe weiterer Reportagen geöffnet.

 

Bei Auftragsarbeiten hattest du es oft mit Produkt- und Industriefotografie zu tun. Deine freien Projekte erzählen meist von Persönlichkeiten – vermittelst du eine Bildwelt, die das Besondere im Menschen sucht?

 

 

Ja, das Lebendige ist, was mich am meisten fasziniert. Die Serie über die letzten matriarchalen Gesellschaften der Welt entspringt eindeutig diesem Interesse – das Besondere ihrer Kulturen sowie der Men­schen, die sie aufrechterhalten und weitertragen. Auch Lebensformen, die unseren fremd sind und mir damit eine ganz neue Welt und einen eigenen Blick eröffnen, fesseln mich. Nicht immer kommt man so nah an die Menschen heran, aber manchmal trifft man auf sehr offene Charaktere, wo die Kommunikation weit über Smalltalk und übliche Begrüssunsrituale hinaus­geht und richtige Geschichten erzählt werden.

 

 

Deine Selbstportraits sind weit weg von zu Hause entstanden – in New York, einer Dir damals fremden Stadt. Ist die Fremde für Dich die beste Inspiration?

 

 

Ja, Reisen erlebe ich immer als Inspiration – weg von zu Hause und von eingefahrenen Mustern zu sein, öffnet mir den Blick für Neues. Ich finde Städte toll, stärker bin ich aber von der Natur sowie Landschaften und Umgebungen angeregt, die mir fremd sind. Ich erlebe mich in der Fremde anders – Abenteuergeist, Lebendigkeit und Freiheit werden dabei geweckt und eine unbändige Neugier auf die Menschen und ihre Art zu leben.

Ich bereite mich immer so gut es geht auf meine Reisen vor – recherchiere, lese und versuche Dinge vorab zu organisieren. In sehr entlegenen Gebieten ist dies nicht immer möglich. Bisweilen muss man einfach hinfliegen und viel Zeit, Geduld und Flexibilität mit­bringen um die Lage vor Ort zu erkunden. Der eine oder andere Überraschungsmoment darf einen dann nicht aus der Fassung bringen. Das ist wohl ein „sich Einlassen“ auf die Kultur, die Gegebenheiten und Möglichkeiten.

 

 

Entwickeln sich diese Entdeckungsreisen vor Ort immer so, wie man sich das vorstellt?

 

 

Meist entwickeln sich die Dinge völlig anders als vorab gedacht, aber eigentlich immer ins Positive. Es ist ein Flow der ensteht, wenn wir Guides kennenlernen, die uns ein Stück weiterführen – jeder weiß etwas, schickt jemanden zum Fragen los oder so folgt eins aufs Andere. Auf unseren Reisen haben wir immer unglaublich viele nette und hilfsbereite Menschen kennengelernt.

 

In den letzten Jahren hast du dich vor allem mit diversen Völkern mit speziellen und seltenen Gesellschaftsstrukturen beschäftigt, die teilweise vor radikalen Umbrüchen stehen oder teilweise sogar im Begriff sind zu verschwinden. Wie hast du diese Situation wahrgenommen, wie sehen das die betroffenen Völker selbst?

 

Die Mentawai in Indonesien sind wirklich akut bedroht, bei den anderen Kulturen weichen sich die Traditionen auf, das geschieht langsam. Es gibt wehmütige Stimmen darüber, dass sich Dinge ändern, aber ein richtiges Verschwinden des kulturellen Erbes wird selten thematisiert. Viele der Menschen – ob bei den Mosuo in China, den Bijagos in Guinea-Bissau oder den Khasi in Meghalaya – sind aus ihren Dörfern nicht weit hinausgekommen und kennen andere Gesellschafts- und Lebensformen lediglich aus den Medien.

Durch den Gebrauch von den diversen Medien wird die Kultur jedoch auch verändert, da die Jugendlichen teilweise ihr Leben moderner und anders gestalten wollen.

Ich persönlich versuche den Menschen auch zu zeigen, dass ihre Kulturen etwas einzigartiges und wertvolles sind und ich sie deshalb auch gerne dokumentieren will.

Wenn es mir gelingt diese Besonderheiten einzufangen und die Menschen in ihrer speziellen Persönlichkeit ins Licht zu rücken, dann fühlt sich dies für beide Seiten sehr schön an.

 

Von den Selbst­portraits über die Serie der matrilinearen und matrilokalen Gesellschaften, die Mann-Frauen in Albanien bis zu Deiner Mutter und Großmutter, welche über die Schuhe repräsentiert sind – sind Frauen in Deinem Schaffen Programm?

 

„Frauenthemen“ – wenn es solche gibt, haben mich schon immer interessiert. Vor allem die Frauen selbst – wie und unter welchen Umständen sie leben und wonach sie streben. Eigentlich hatte ich eine Serie über junge Mädchen und Jugendliche im Sinn, durch Recherchen bin ich dann vor einiger Zeit auf das Thema der matriarchalen Gesell­schaf­ten gestoßen und habe mich ausführlich damit beschäftigt. Ich war sehr überrascht, wo es solche Kulturen überall auf der Welt gibt, dass man darüber so wenig weiss und das Thema auch medial wenig beleuchtet wird.

Das traf sich ganz gut mit meinem Faible fürs Reisen und so habe ich die letzten Jahre China, Indien, Indonesien und Westafrika bereist. Nebenbei schaue ich immer, wo ich als nächstes hinfahren könnte. Ich habe ja keinen Anspruch, wissenschaftlich vorzugehen, sondern kann mich ganz frei von meinem persönlichen Interesse leiten lassen. Meine Serie über Kulturen, in denen Frauen eine tragende Rolle spielen, ist also noch nicht abgeschlossen.

 

Mir spukte beim Betrachten Deiner Arbeiten oft das Wort „Behutsamkeit“ im Kopf umher. Mit welchen Schlagworten, würdest du deine Arbeitsweise charakterisieren.

 

Ich bin eine passionierte Beobachterin, die sich vorsichtig herantastet. Vieles passiert auch intuitiv – wenn mir zum Beispiel eine Person oder ein Haus gefällt und ich spontan sage, hier würde ich gerne stehenbleiben und fragen. Und man sieht es unmittelbar an der Reaktion der Leute – sind sie ebenfalls neugierig, kommen sie auf mich zu, möchten sie mich kennenlernen und erfahren, was ich hier tue? Das sind die einfachen Hinweise, die es zu verstehen gilt.

Natürlich spielt Zeit eine besondere Rolle – vor allem in Gegenden, wo die Uhren anders ticken. Neben der Neugierde braucht es Geduld und vieles ergbit sich dann von selbst – man kommt ins Gespräch, wird eingeladen, erfährt von der Familiengeschichte. Sich auf Augenhöhe zu begegnen, respektvoll zu fragen, ob man Tonaufnahmen machen darf – das sind die Türöffner und Voraussetzungen die Gespräche in Gang bringen. Erst viel später packe ich nach Erlaubnis meine Kamera aus. Die meisten Menschen sind stolz, fotografiert zu werden – selbst wenn sie manchmal dabei unbeholfen sind, weil es eine völlig neue Situation für sie ist.

Das sind ganz besonders berührende Momente, wenn es mir gestattet und möglich ist, ihre Schönheit und Aura einzufangen und mit den Bildern ein Stück ihres Lebens zu erzählen. Ich bitte die Frauen immer, direkt in die Kamera zu schauen – diese Offenheit ist es, die das Gefühl bis zum Betrachter transportiert. Besorgt, was mit den Bildern geschieht war keine Einzige, irgendwie schließt man beim Fotografieren einen ungeschriebenen Vertrauenspakt.

 

 

Wie kommst Du zu Deinen Themen und wie gehst du eine Arbeit an?

 

Es gibt Unmengen an schönen Fotos, die perfekt gemacht sind ­– in Ausstellungen, Galerien, auf Instagram. Doch schön ist mir inzwischen zu wenig – da denke ich gar nicht so sehr an die Betrachter, vor allem mir als Fotografin ist der Inhalt wichtig. Ich möchte mich mit Dingen beschäftigen, die mich selbst interessieren; Geschichten erarbeiten, die mich zum Nach- und Weiterdenken bringen; Dinge entdecken, die mir einen neuen Blick und eine neue Welt eröffnen.

 

Hat sich Deine Art zu arbeiten verändert, seit Fotos omnipräsent in den sozialen Medien abrufbar sind?

 

Vielleicht hat sich die Hinwendung zu komplexeren Inhalten und Serien, die mich länger beschäftigen unbewußt auch dadurch verstärkt. Vielleicht ist es auch das Alter, das eher nach dem Dahinter fragt obwohl es gleichzeitig die Reisen in ferne Länder und Kulturen sind, die meine Spontanität entfachen und mich viel freier arbeiten lassen. Aber ja, wir sind von einer starken und sich rasant ändernden Bildwelt umgeben und es gilt, sich abzuheben. Auch wenn ich an diese Dinge gar nicht denke, wenn ich unter großer Anstrengung stundenlang durch den Dschungel stapfe und unter dem Dach des Regenwaldes übernachte – da zählt immer nur der Augenblick mit seinen reichen Eindrücken.

 

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