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Die Juchitecas

Die Frauen von Juchitán

Die Frauen der Zapoteken

Stolz bezeichnen sich die Juchitecas als Zapotekinnen und damit als Nachfahren der Urbevölkerung Mexikos. Die Basis ihrer Macht in der Gesellschaft bildet der Handel, die Drehscheibe dafür ist der Markt von Juchitán. Im Sinne der Familien nehmen die Frauen das Geld ein und verwalten es – eine Pflicht, der sie mit Sorgfalt und Verantwortung nachkommen. Sie halten den Besitz und geben ihn an ihre Töchter weiter, ein System, das sich in der „Stadt der Blumen“ seit Jahrhunderten bewährt.

„Aufgrund unserer speziellen Kultur und Traditionen unterscheiden wir uns sehr von anderen Mexikanerinnen. Unsere Gesellschaft ist matriarchal organisiert. Das zeigt sich auch auf dem Markt, in den Geschäften und im Handel.“

Juchitán de Zaragoza im Isthmus von Tehuantepec, Mexiko

Schon der zapotekische Name Ixtaxochitlán gibt einen Vorgeschmack auf die Lebensfreude, die Juchitán de Zaragoza ausstrahlt: Ixtaxochitlán bedeutet übersetzt „Stadt der Blumen“. Im Süden des Isthmus von Tehuantepec, der schmalen Stelle Mexikos, liegend, zählt die Stadt rund 75.000 Einwohner. Das Leben hier ist bunt, lebendig – und von Frauen dominiert.

„Es ist ein Mädchen!“, ein Ruf, der bei den Wartenden Begeisterung hervorruft und sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Die Geburt eines Mädchens ist in Juchitán ein Grund zum Feiern – und gefeiert wird hier oft. Anders als im restlichen Mexiko, das patriarchalen Strukturen folgt, ist der Isthmus matriarchal organisiert: Frauen bestimmen das Wirtschaftsleben, verwalten das Haushaltsbudget, halten den Besitz und geben diesen an ihre Töchter weiter.

Während die Juchitecas Handel oder Handwerk treiben, arbeiten die Männer auf dem Feld, fangen Fische oder verdienen ihr Geld in der Industrie – ein Zubrot zum Familieneinkommen, denn die Haupteinnahmen schaffen die Frauen herbei. In ihren Händen liegt der Markt – und damit das wirtschaftliche Zentrum der Stadt. Hier kaufen die Frauen für die Familien ein und bekommen auch alles, was sie brauchen, wenn es wieder ein Fest zu feiern gibt. In Juchitán ist das, so scheint es, täglich der Fall. Seien es Feiertage zu Ehren von Heiligen oder Berufsständen, oder es gilt Geburtstage oder Hochzeiten zu zelebrieren: Jede bringt etwas herbei, vom Einkauf profitiert der Markt, die örtliche Wirtschaft und damit wieder jede Einzelne. Ein ganz besonderes Fest wird gefeiert, wenn ein Mädchen 15 wird: Der Tag als „Reina“, Königin, bereitet sie auf ihren Status vor, auf ihre Rolle als Oberhaupt ihres Clans. Im Vorfeld helfen alle mit, es wird gekocht, getratscht, gelacht und schließlich dann gemeinsam gefeiert.

Im bunten Treiben stechen besondere Frauen hervor: Muxes wurden als Mann geboren, fühlen sich jedoch als Frau. Bei den Zapoteken sind sie als das „dritte Geschlecht“ anerkannt. Traditionell üben sie Tätigkeiten aus, die üblicherweise den Frauen obliegen, arbeiten auf dem Markt, im Handwerk oder führen andere Geschäfte. Bei Festen oder auch im Alltag tragen sie ebenso bunte Kleidung und mischen sich unter die Frauenschar. Das Jonglieren zwischen den Geschlechterrollen erregt in Juchitán kein Aufsehen, schließlich ist hier es ein Privileg, Frau zu sein. Ihren familiären Weg wählen die Muxes selbst: Ob sie im Haus der Mutter bleiben oder eine eigene Familie gründen, obliegt ihrer Entscheidung.

Die Hierarchien in Juchitán sind flach, angesehen ist nicht, wer mehr hat, sondern wer viel gibt. Denn es ist nicht die Quantität, sondern die Qualität, die zählt. Dies schlägt sich auch in Zahlen nieder: Die Lebenserwartung ist hier höher als sonst wo in Mexiko, die Kindersterblichkeit hingegen niedrig. Vielleicht liegt das an dem Gefühl, sich gegenseitig verpflichtet zu sein. Vielleicht aber auch daran, dass Frauen in Juchitán bis ins hohe Alter großen Respekt genießen. Letztendlich wird wohl auch der Zusammenhalt in der Gemeinschaft seinen Beitrag dazu leisten – Juchitecas sind selten alleine unterwegs. Meist trifft man sie in Gruppen, lachend, plaudernd oder essend, und sie vermitteln stets das Gefühl, sich Zeit für das zu nehmen, was sie gerade tun.

maria haas - projects - Die Juchitecas